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le confessioni di sant'agostino

 Sant'Agostino scrive le sue opere

Agostino

 

 

ERSTES BUCH

 

 

Erstes Kapitel

Groß bist du, o Herr, und deines Lobes ist kein Ende; groß ist die Fülle deiner Kraft, und deine Weisheit ist unermesslich. Und loben will dich der Mensch, ein so geringer Teil deiner Schöpfung; der Mensch, der sich unter der Last der Sterblichkeit beugt, dem Zeugnis seiner Sünde, einem Zeugnis, dass du den Hoffärtigen widerstehest; und doch will dich loben der Mensch, ein so geringer Teil deiner Schöpfung. Du schaffest, dass er mit Freuden dich preise, denn zu deinem Eigentum erschufst du uns und ruhelos ist unser Herz, bis es ruhet in dir. Kläre mich auf, o Herr, und lass mich erkennen, ob wir dich zuerst anrufen oder dich preisen; ob wir dich eher erfassen als anrufen sollen? Doch wer ruft dich an, solange du ihm unbekannt bist? Könnte dich, der dich nicht erkennt, statt des einen ein anderes Wesen anrufen? Oder wirst du zuvor angerufen, auf dass du erkannt werdest? Wie sollen sie aber anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber glauben an den, der ihnen nicht geprediget worden? Loben werden den Herrn, die ihn suchen. So ihn aber suchen, werden ihn finden, und die ihn finden, werden ihn loben. Ich will dich suchen, o Herr, im Gebet, und ich werde dich anrufen im Glauben: denn du bist uns verkündiget worden. Mein Glaube, den du mir gegeben, o Herr, ruft dich an, mein Glaube, den du mir einhauchtest durch die Menschwerdung deines Sohnes durch die Vermittlung deines Predigers.

 

 

Zweites Kapitel

Wie aber soll ich anrufen ihn, meinen Gott und Herrn? Denn zu mir hinein rufe ich ihn ja, wenn ich ihn anrufe. Wie heißt die Stätte, dahin mein Gott komme zu mir, wohin der Gott komme zu mir, der Himmel und Erde gemacht hat? So ist also, Herr mein Gott, etwas in mir, das dich zu fassen vermag? Fassen dich denn Himmel und Erde, die du gemacht hast und in deren Bereich du mich geschaffen? Oder fasst dich deshalb alles, weil ohne dich nicht wäre, was ist? Da nun auch ich bin, was bitte ich dich denn, in mich zu kommen, der ich nicht wäre, wenn du nicht wärst in mir? Denn noch bin ich nicht im Reiche des Todes, und doch bist du dort. Denn bettete ich mich auch in die Hölle, siehe, so bist du auch da. Ein Nichts wäre ich, mein Gott, wäre überhaupt nicht vorhanden, wenn du nicht wärest in mir. Oder ich wäre vielmehr nicht, wenn ich nicht wäre in dir, von dem alles, durch den alles, in dem alles ist. Ja, so ist es, so ist es, o Herr. Wenn ich dich anrufe, wohin rufe ich dich, da ich ja bin in dir? Von wannen sollst du kommen zu mir? Wohin sollte ich wohl gehen über Erde und Himmel hinaus, dass von da käme zu mir mein Gott, der da gesprochen: Bin ich es nicht, der Himmel und Erde füllet?

 

 

Drittes Kapitel

Fassen dich also Himmel und Erde, weil du sie erfüllst? Oder erfüllst du sie doch nur teilweise, da sie dich nicht völlig fassen? Und wohin ergießest du den Überfluss, wenn Himmel und Erde von dir erfüllt sind? Oder bedarfst du keines Gefäßes, das dich als Ganzes enthält, der du alles fassest? Denn alle Gefäße, die du erfüllst, erfüllst du, indem du sie zusammenhältst. Denn nicht die Gefäße, die dich beschließen, geben dir feste Selbstständigkeit; denn wenn sie auch zerbrochen würden, wirst du doch nicht ausgeschüttet. Und wenn du (im Heiligen Geiste) über uns ausgegossen wirst, so liegst du nicht darnieder, sondern richtest uns auf; du wirst nicht zerstreut, sondern sammelst uns. Aber der du alles erfüllst, erfüllst du alles in deiner Gesamtheit? Oder, weil nicht jegliches dich in deiner Gesamtheit zu fassen vermag, umfasst es nur einen Teil deines Wesens und umfasst alles zugleich denselben Teil deines Seins? Oder umfassen die einzelnen Kreaturen einzelne Teile, die größeren größere und die kleineren kleinere? Ist demnach ein Teil von dir größer oder kleiner als der andere? Oder bist du überall eine Ganzheit und fasst dich nichts in deiner Gesamtheit?

 

 

Viertes Kapitel

Mein Gott, was bist du also? Was frag' ich erst? Was anders denn als der Herr mein Gott? Denn wer ist Herr neben dem wahrhaftigen Herrn und wer Gott außer dir, unserem Gott? Höchster, Bester, Mächtigster Allmächtigster, Barmherzigster und doch Gerechtester, Verborgenster und doch Allgegenwärtiger, Schönster und Stärkster, feststehend und doch nicht zu fassen, unwandelbar und doch alles wandelnd, nie neu, nie alt, der du alles erneuerst, die Stolzen aber gibst du anheim der Vergänglichkeit, ohne dass sie es fassen; immer wirkend, immer ruhig, sammelnd und doch nie bedürfend, tragend, erfüllend und schützend, schaffend, ernährend und vollendend, suchend, da doch nichts dir ermangelt. Du liebst, doch ohne Leidenschaft, du eiferst, doch mit ruhiger Milde, deine Rede ist schmerzlos, du zürnst und bist doch ruhig, wandelbar sind deine Werke, unwandelbar dein Ratschluss, du nimmst auf, was du findest, und hast es doch niemals verloren, nie arm, freust du dich des Gewinns, nie habsüchtig, forderst du Zinsen. Es wird dir geliehen, auf dass du zum Schuldner werdest und doch, wer hat etwas, das nicht wäre dein Eigentum? Schulden zahlst du, die du nie schuldig bist; du erlässest uns unsere Schuld und verlierst trotzdem nichts. Was aber habe ich mit all dem vorgebracht, mein Gott, mein Leben, meine heilige Wonne? Oder wie redet einer, wenn er redet von dir? Wehe denen, die von dir schweigen, denn auch die Stummen werden dich bekennen.

 

 

Fünftes Kapitel

Wer wird mir verleihen, zu ruhen in dir? Wer mir beistehen, dass du kommst in mein Herz und es ganz erfüllest, dass ich vergesse all mein Elend und dich nur, mein einziges Gut, umfasse? Was bist du mir? Habe Erbarmen mit mir, dass ich mich unterfange, von dir zu reden. Was bin ich dir, dass du Liebe von mir forderst und dein Zorn mir droht und unermessliches Elend, wenn ich es nicht täte? Ist es denn ein geringes Elend, wenn ich dich nicht liebe? Wehe mir! Sage mir, o mein Herr und mein Gott, um deiner erbarmenden Liebe willen, was du mir bist. Sprich zu meiner Seele: Ich bin deine Hilfe. So sprich, auf dass ich dich hören kann. Siehe meines Herzens Ohr lauschend vor dir; erschließe es, o Herr, und sprich zu meiner Seele: Ich bin deine Hilfe. Betend will ich folgen dieser Stimme und dich ergreifen. Verbirg dein Angesicht nicht vor mir, ich will sterben, damit ich (ewig) lebe und dich schaue von Angesicht zu Angesicht. Eng ist das Haus meiner Seele, erweitere es, dass es werde deine Wohnung. Hinfällig ist es, darum erneuere es. Flecken sind darin enthalten, welche dein Auge beleidigen, gern bekenne ich es, aber wer wird es reinigen? Oder wem anders als dir kann ich zurufen: Mache mich rein von verborgenen Fehlern und bewahre deinen Knecht vor fremder Missetat. Ich glaube, darum rede ich, Herr, du weißt es ja. Habe ich dir nicht, mein Gott, mein Vergehen bekannt, und hast du mir nicht vergeben meines Herzens Ruchlosigkeit? Nicht rechten will ich mit dir, der du bist die lautere Wahrheit, und ich will mich nicht selbst täuschen, dass nicht meine Sünde sich selbst belüge. Nicht rechten will ich mit dir, denn so du willst Sünde zurechnen, o Herr, Herr, wer will bestehen?

 

 

Sechstes Kapitel

Aber lass mich dennoch reden zu dir, dem barmherzigen Gott, mich, der ich Staub und Asche bin. Lass mich dennoch reden, denn siehe, deine Barmherzigkeit ist es, zu der ich rede, nicht ein Mensch, der meiner spottet. Auch du spottest vielleicht meiner, aber du wirst dich mir zuwenden und dich meiner erbarmen. Was ist es denn aber, das ich reden will, mein Herr und mein Gott, als dass ich nicht weiß, von wannen ich hierhergekommen? Soll ich sagen in dieses sterbliche Leben oder in dieses lebendige Sterben? Es empfingen mich die Tröstungen deiner Barmherzigkeit, wie ich es erfahren habe von meinem irdischen Vater, aus welchem du mich, und von meiner irdischen Mutter, in welche du mich in der Zeit gebildet hast, denn ich kann mich ja dessen nicht selbst erinnern. Dann empfingen mich die Tröstungen der Muttermilch. Doch nicht meine Mutter oder meine Ammen füllten sich aus eigener Kraft die Brüste, sondern du spendetest mir durch ihre Vermittlung die Nahrung meiner frühesten Kindheit, gemäß deiner Einrichtung und deines Reichtums dem tiefen Sein der Dinge angeschaffen. Du verliehst mir auch die Eigenschaft, nicht mehr zu verlangen, als was du mir gabst, und denen, die mich nährten, den Willen, mir zu geben, was du ihnen gabst. Denn gemäß dem von dir angeordneten Liebestriebe gaben sie mir gern von dem Überflusse, den du ihnen verliehen. Denn das Gute, das sie mir erwiesen, tat ihnen selbst wohl; aber nicht aus ihnen stammte es, sondern nur durch sie kam es mir zu. Denn von dir allein kommt ja, mein Gott, alles Gute, und alles Heil strömt mir zu von meinem Gott. Später freilich erkannte ich dies erst als du mich mahnend riefst zu dir, durch alles das, was du innerlich und äußerlich mitteilst, denn damals verstand ich nur die Muttermilch zu saugen und in behaglichem Genusse der Ruhe zu pflegen und bei leiblichem Schmerze zu weinen; weiter aber nichts. Dann begann ich zu lächeln, zuerst im Schlafe, dann aber auch im Wachen. So ist es mir wenigstens erzählt worden, und ich habe es geglaubt, weil wir dasselbe auch bei anderen Kindern wahrnehmen, denn meine Erinnerung reicht nicht daran. Doch siehe, allmählich empfand ich, wo ich war, und wollte meine Wünsche denen kundtun, die sie erfüllen sollten; doch nicht vermochte ich es, weil jene in meinem Innern wohnten, diese aber außer mir, und mit keinem ihrer Sinne vermochten sie es, in die Tiefe meiner Seele zu dringen. Daher strampelte und schrie ich in einer meinen Wünschen, deren nur wenige waren und nur solche, die meiner Fähigkeit entsprachen, nicht ganz gleichenden Weise. Denn ganz entsprechend waren sie nicht. Und ward mir nicht gewillfahrt, weil man entweder meine Wünsche nicht verstehen konnte oder ihre Erfüllung spärlich war, so ward ich zornig auf die Großen, die mir nicht untertan, und die Freien, die mir nicht zu Diensten waren, und suchte mich an ihnen durch Geschrei zu rächen. Dass solches der Kinder Art ist, habe ich kennengelernt an denen, deren Bekanntschaft ich machte, und dass ich nicht ebenso war, haben sie mich in ihrer Unwissenheit besser als meine Ernährer, die es doch wussten, gelehrt. Aber siehe, meine Kindheit ist längst geschieden, und ich lebe noch. Du aber, o Herr, der du lebst von Ewigkeit zu Ewigkeit und in dem nichts stirbt, denn vor dem Anfang der Zeiten und vor allem, was Vorzeit genannt werden kann, bist du, Gott und Herr, bist du deiner gesamten Schöpfung, und auf festem Grunde ruhen in dir der Urgrund aller an sich unbeständigen Dinge und alles Wandelbaren unwandelbarer Ursprung; in dir leben die ewigen Ideen alles Vernunftlosen und Zeitlichen; so sage mir, o Gott, mir, der dich anfleht in heißem Gebet, sage es in göttlichem Erbarmen, ob meine Kindheit einem schon vergangenen Leben gefolgt sei oder ob jenes dasselbe ist, welches ich im Mutterleibe zubrachte? Denn auch darüber ist mir einiges erzählt worden; auch habe ich mit eigenen Augen schwangere Frauen gesehen. Doch was war ich noch vor jener Zeit, meine Wonne, mein Gott; war ich überhaupt irgendwo oder irgendwer? Denn ich habe niemanden, der mir es sagen könnte, weder Vater noch Mutter vermochten es, weder anderer Erfahrung noch meine eigene Erinnerung (klärten mich darüber auf). Verlachst du etwa solche Frage und befiehlst, dass ich dich nach meinem besten Wissen lobe und dir mein Bekenntnis ablege? So will ich dir denn bekennen, du Herr des Himmels und der Erden, und will dich preisen im Danke für meinen Ursprung und meine Kindheit, deren ich mich nicht mehr erinnere. Du hast dem Menschen die Fähigkeit verliehen, von anderen auf sich zu schließen und in Betreff der eigenen Person auch dem Zeugnis der Frauen fest zu vertrauen. Denn schon damals war und lebte ich und schon an der Grenze meiner Kindheit suchte ich Zeichen, um anderen meine Empfindungen deutlich zu machen. Woher aber kommt ein solch beseeltes Wesen, wenn nicht von dir, o Herr? Gibt es irgendjemand, der die Kunst besäße, sich selbst zu erschaffen? Oder quillt anderswo irgendeine Quelle, aus welcher Sein und Leben in uns fließt, denn bei dir, Herr, der du uns geschaffen hast, bei dem es keinen Gegensatz zwischen ewigem und zeitlichem Leben gibt, denn beider Herr bist du selbst. Denn der Höchste bist du und unveränderlich; in dir vergeht nicht der heutige Tag und dennoch vergeht er in dir, weil du alles (auch die Zeiten) umfasstest. Denn nicht würden sie auf geordneten Bahnen dahinziehen, wenn du sie nicht zusammenhieltest. Denn da deine Jahre kein Ende nehmen, sind deine Jahre wie der heutige Tag, und wie viele unserer und unserer Väter Tage sind schon vorübergezogen durch dein ewiges Heute und erhielten von ihm das Gepräge und waren, wie sie waren, und werden noch vorüberziehen und ihr Gepräge empfangen und sein, wie sie waren. Du aber bleibst, wie du bist, und alles Morgende und was darüber hinausgellt und alles Gestrige und noch weiter Zurückgehende wirst du machen zum Heute und hast das schon in der Ewigkeit deiner Gegenwart gewirkt. Was kümmert es mich, wenn es jemand nicht begreifen sollte? Möge auch er sich freuen, der spricht: „Was ist das?" Auch er freue sich, und möge er dich lieber finden, indem er dich nicht findet, als dass er dich nicht finde, indem er (hochmütig) dich gefunden zu haben wähnt.

 

 

Siebentes Kapitel

Erhöre mich, o Gott! Wehe über uns sündige Menschen! So spricht der Mensch, und du erbarmst dich seiner, weil du ihn, aber nicht die Sünde in ihm geschaffen hast. Wer erinnert mich wieder an die Sünden meiner Kindheit? Denn vor dir ist niemand sündenrein, auch das Kind nicht, das nur einen Tag auf der Welt gelebt hat. Wer erinnert mich (an meine Sünden, die ich damals begangen)? Jedes beliebige Kindlein, an dem ich das sehe, was meinem Gedächtnis entflohen? Wie sündigte ich also damals? Etwa, weil ich schreiend nach der Mutterbrust verlangte? Denn täte ich jetzt dasselbe, wenn auch nicht nach der Mutterbrust, so doch nach einer meinem Alter entsprechenden Speise gierig verlangend, würde mich da nicht mit vollem Rechte spottender Tadel treffen? Damals tat ich also Tadelnswertes; aber da ich den Tadel nicht verstehen konnte, war es gegen Herkommen und Vernunft, mich zu tadeln. Zwar legen wir Derartiges, wenn wir älter werden, ab und entfernen es. Denn nie sah ich einen Verständigen, der beim Sondern des Guten vom Schlechten auch das Gute mit preisgibt. Oder galt es seinerzeit auch für gut, mit Tränen das zu begehren, was mir, wäre es mir gewährt worden, zum Schaden gereicht hätte? Oder denen zu zürnen, die mir nicht untergeben waren, freien und älteren Leuten, oder den Eltern und vielen, die bei größerer Einsicht unserem Eigenwillen nicht willig Folge leisteten, ihnen mit Schlagen und Stoßen möglichst zu schaden, weil sie dem kindlichen Eigensinn ohne Schaden für uns nicht gehorchen konnten? So ist nur die Schwäche der kindlichen Gliedmaßen unschuldig, nicht die Kindesseele. Mit eigenen Augen beobachtete ich ein zorniges Kind; noch konnte es nicht sprechen und doch sah es bleich mit feindselig-bitterem Blick auf seinen Milchbruder. Doch das weiß jeder. Mutter und Ammen sagen, dass sich das gäbe und durch irgendwelche Mittel verlöre. Ist es aber etwa auch Unschuld an der Quelle, die reichlich, ja überreichlich eine Fülle von Milch hervorströmen lässt, den der Hilfe so bedürftigen Bruder nicht zu dulden, der doch nur durch dies eine Nahrungsmittel sein Leben fristen kann? Doch man erträgt es in blinder Zärtlichkeit, nicht als ob es geringfügig oder von gar keiner Bedeutung wäre, sondern weil es sich mit den Jahren verlieren wird. Fände man dasselbe freilich bei einem älteren Menschen, so würde man es nicht mit dem Gleichmute ertragen wie in diesem Falle. Du, mein Gott und Herr, der du dem Kinde Leben und Leib gabst, den du, wie wir sehen, ausstattetest mit den Sinnen, den du aus Gliedern zusammenfügtest und mit Schönheit schmücktest und dem du alle Triebe eines lebenden Wesens zur Erhaltung seines unversehrten Daseins eingepflanzt hast, dein Wille gebeut mir, dich dafür zu preisen und dir zu danken und deinem Namen, du Höchster, zu lobsingen, weil du bist der allmächtige und gütige Gott, auch wenn du nur das geschaffen, was niemand anders schaffen kann denn du allein, dem alles Dasein sein Sein verdankt, du Schönster, der du alles schön geschaffen und alles ordnest nach deinem Gesetz. Dieses Alter also, o Herr, von dessen Durchleben ich keine Ahnung habe, das ich nur nach anderer Glaubwürdigkeit und andern Kindern gefolgert habe, mag ich, obgleich diese Schlüsse vollen Glauben verdienen, kaum zu dem Leben rechnen, das ich in dieser Zeitlichkeit lebe. Denn der dunkle Schleier der Vergessenheit ruht darüber, gerade wie über jenem Leben, das ich verbracht in meiner Mutter Leibe. Doch wenn ich aus sündlichem Samen gezeuget und meine Mutter mich in Sünden empfangen hat, wo, mein Herr und Gott, o sage es mir, ich flehe dich an, wo oder wann war dein Knecht sündlos? Doch lassen wir jene Zeit, ist mir ja von ihr in meiner Erinnerung keine Spur zurückgeblieben.

 

 

Achtes Kapitel

Bin ich nicht aus der Kindheit auf dem Wege zu meinem jetzigen Lebensalter in das Knabenalter gelangt, oder besser gesagt: kam es nicht in mich und folgte meiner Kindheit? Doch jene ist nicht vergangen; wohin sollte sie auch gehen? Und doch war sie nicht mehr. Denn nicht mehr war ich ein unmündig Kind, sondern ein Knabe, der Sprache wohl kundig. Ich erinnere mich noch daran und woher ich die Sprache lernte, erfuhr ich nachher. Denn es unterrichteten mich nicht Erwachsene, indem sie mir nach einem bestimmten klar durchdachten Lehrplane Worte mitteilten, wie bald nachher die Buchstaben, sondern ich erlernte es selbst kraft des Geistes, den du, mein Gott, mir gegeben, wenn ich mit Seufzen und allerlei Tönen und Gebärden die Gefühle, die mein Herz empfand, ausdrücken wollte, damit man meinem Willen nachkäme; und ich war nicht imstande, alles, was ich wollte, zu äußern, und sprach mir zuvor still-innerlich die Worte vor im Gedächtnis; benannte man irgendeinen Gegenstand und wandte man sich bei dem Worte danach, so bemerkte ich es und behielt es bei mir, dass das Ding von ihnen benannt werde, welches sie aussprachen, wenn sie es zeigen wollten. Dass man aber dies damit bezweckte, erhellte aus der Bewegung des Körpers, gleichsam die Universalnatursprache für alle Völker; durch das Mienen- und Augenspiel und die Tätigkeit der übrigen Glieder und durch den Klang der Stimme, welcher anzeigt, was die Seele wünscht und begehrt, was sie verwirft und meidet. So begriff ich allmählich die Worte in ihrer mannigfaltigen Bedeutung, in ihrer verschiedenen Stellung und bei ihrem häufigen Gebrauche, welche Dinge die Worte bezeichneten, und sprach durch sie, da meine Mutter sich bereits an diese Ausdrucksweise gewöhnt hatte, meine Wünsche aus. So bin ich mit denen, unter welchen ich lebte, in eine Gemeinschaft hinsichtlich der Bezeichnung der Willensäußerungen getreten und schritt weiter hinein in die Stürme des gesellschaftlichen Lebens, doch noch abhängig von der Autorität der Eltern und vom Willen Erwachsener.

 

 

Neuntes Kapitel

Gott, mein Gott, welche Not erfuhr ich da und welchen Spott! Da mir in den Knabenjahren als Richtschnur für das Leben empfohlen wurde, denen zu gehorchen, die mich ermahnten, dass ich zur Zeit vorwärtskäme, und mich auszeichnete durch rhetorische Kunstfertigkeit, welche Ehre bei den Menschen nur trügerische Reichtümer verschafft. Dann wurde ich zur Schule geschickt, Wissenschaften zu erlernen, deren Nutzen ich Beklagenswerter nicht einsah, obwohl ich, war ich träge im Lernen, geschlagen wurde. So hieß es den Eltern gut, und viele vor uns, die ihr Leben also hinbrachten, hatten dornenvolle Pfade vorgebaut, welche wir Söhne Adams wandeln mussten unter verdoppelter Mühe und Qual. Wir fanden aber Menschen, o Herr, die dich anriefen, und von ihnen lernten wir nach unserem Vermögen, dass du ein mächtiges Wesen seiest, das uns erhören und helfen könne, wenn auch unseren menschlichen Sinnen verborgen. Denn schon da ich noch ein Knabe war, begann ich zu dir zu beten, du, meine Hilfe und Zuflucht, und im Gebet zu dir brach ich die Bande, die meine Zunge fesselten, und flehte zu dir, noch klein zwar, doch mit großer Innigkeit, dass ich in der Schule doch keine Schläge bekäme, und da du mich nicht erhörtest, was mir zum Heile war, spotteten die Erwachsenen, ja selbst meine Eltern, die doch nur mein Bestes wollten, über die Schläge, die ich bekam und die mir damals ein großes und schweres Leid zu sein schienen. Hat jemand, o Herr, einen solch starken Geist, mit so überschwänglich großer Liebe dir anhängend, gibt es, sage ich, irgendjemand - denn eine gewisse Stumpfheit bewirkt dies auch -, der so erhaben gestimmt, mit solcher Frömmigkeit an dir hinge, dass er die größten und verschiedenartigsten Foltern, von denen verschont zu werden alle Welt ängstlich fleht, so gering achtete, dass er diejenigen verlacht, welche sich davor ängstigen und zittern, wie unsere Eltern die Marterwerkzeuge verlachten, mit denen wir Knaben von den Lehrern geschlagen wurden? Denn nicht weniger fürchteten wir uns davor, noch flehten wir weniger zu dir, sie von uns abzuwenden, und doch sündigten wir dadurch, dass wir uns weniger mit Schreiben und Lesen und Denkübungen beschäftigten, als es von uns gefordert wurde. Gedächtnis und Anlagen fehlten uns keineswegs, o Herr, du hattest uns selbst davon für unser Alter hinreichend vergeben; aber das Vergnügen am Spiel war es, und es wurde an uns von solchen gestraft, die selbst dergleichen trieben. Aber die Spielereien der Erwachsenen nennt man Geschäfte; Knaben aber, welche sie trieben, wurden von den Erwachsenen gestraft, und niemand erbarmt sich der Knaben, noch jener, noch beider. Würde wohl ein gerechter Schiedsrichter es billigen, dass ich geschlagen wurde, weil ich als Knabe oft Ball spielte und durch solches Spiel am schnellen Erlernen der Wissenschaften behindert wurde, mit denen ich späterhin noch hässlicher spielen sollte; oder handelte der selbst irgendwie anders, welcher mich schlug und der mehr vom Neid und von Galle gequält wurde, wenn er in irgendwelchem geringfügigem Wortgefecht von einem gelehrten Rivalen überwunden wurde, als wenn ich im Ballspiel von einem Mitspieler übertroffen wurde?

 

 

Zehntes Kapitel

Und doch sündigte ich, mein Herr und mein Gott, du Ordner und Schöpfer des Alls, aber der Sünde Ordner allein. Ich sündigte, mein Herr und mein Gott, weil ich zuwiderhandelte den Geboten der Eltern und jener Lehrer. Denn späterhin konnte ich von den Wissenschaften, die ich nach dem Willen und der Absicht der Meinigen erlernen sollte, einen guten Gebrauch machen. Nicht in der Absicht, Besseres (als das Dargebotene) zu erwählen, war ich ungehorsam, sondern aus Liebe zu Spielereien und aus Begierde nach stolzen Siegen in Wettspielen, um durch erdichtete Märlein meine Ohren zu reizen, dass sie immer lüsterner wurden und nur dieselbe Neugierde immer mehr und mehr aus den auf die Schauspiele und Spiele der Alten gehefteten Augen leuchtete; die Veranstalter solcher Spiele genießen so hohe Ehre, dass fast alle Eltern für ihre Kleinen ein gleiches Los wünschen, und dennoch lassen sie es gern zu, dass ihre Kinder gezüchtigt werden, wenn sie sich durch solche Schauspiele vom Lernen abhalten lassen, wodurch sie es einmal dahinbringen sollen, selbst solche Spiele zu geben. Siehe, o Herr, solches mit Erbarmen und befreie uns, die wir dich schon anrufen; befreie auch die, welche dich noch nicht anrufen, auf dass sie dich anrufen und du sie befreiest.

 

 

Elftes Kapitel

Schon als Knabe hatte ich Kunde von dem ewigen Leben, uns verheißen durch die Erniedrigung unseres Herrn und Heilandes, der herabstieg zu unserem Hochmute, und ich ward mit dem Zeichen seines Kreuzes bezeichnet und mit seinem Salm geweiht schon von dem Leibe meiner Mutter an, deren ganze Hoffnung du warst. Du sahst, o Herr, wie ich, noch ein Knabe, eines Tages plötzlich von heftig brennendem Magenkrampfe ergriffen wurde und fast dem Tode nahekam. Du sahst, mein Gott, denn du warst schon damals mein Hort und Hüter, mit welcher Bewegung des Herzens, mit welchem Glauben ich die Taufe deines Gesalbten, meines Herrn und Gottes, von der Frömmigkeit meiner Mutter und der Mutter unser aller, deiner Kirche, verlangte. Und meine leibliche Mutter, mächtig erschüttert, weil sie auch mein ewiges Seelenheil als ein teures Pfand unter dem Herzen trug, das im Glauben an dich zu heiliger Reinheit gelangt war, würde eilend dafür gesorgt haben, dass ich in die heiligen Sakramente eingeweiht und durch sie gereinigt würde in deinem Bekenntnis, Herr Jesu, zur Vergebung der Sünden, wenn ich nicht sogleich genesen wäre. Es wurde daher meine Entsühnung durch die Taufe verschoben, gleich als müsse ich mich noch beflecken, solange ich am Leben bliebe, wenn nach der Taufe die Schuld sündiger Befleckung noch größer und gefahrvoller würde. So war damals schon ich, die Mutter und das ganze Haus gläubig, ausgenommen den Vater, der, obwohl er ein Heide war, doch nicht das Recht der frommen Mutterliebe zugunsten seines Vaterrechts umstieß, um mich am Glauben an Christum zu hindern. Denn mit ängstlichem Eifer schärfte mir meine Mutter ein, dass du, mein Herr und mein Gott, in noch viel höherem Grade mein Vater wärest als jener, und du standest ihr bei, dass sie den Gatten (im Glauben) überwand, dem sie, als die bessere, untertan war, weil sie dadurch dir und deinem Gebote gehorchte. Ich bitte dich, mein Gott, lass mich wissen, wenn es dein Wille ist, dass ich es wisse, welcher Art die Absicht war, der zufolge meine Taufe damals verschoben wurde, ob dadurch zu meinem Besten der Sünde Zügel gelockert wurden oder nicht? Weshalb hören wir auch jetzt noch von dieser und jener Seite: Lass ihn nur machen, er ist ja noch nicht getauft, und doch sagen wir zum Wohle des Körpers nicht: der Wunden noch mehr, er ist ja noch nicht geheilt. Wäre es nicht viel besser gewesen, ich wäre schnell geheilt worden und man hätte mit mir durch die Meinen und meine eigene Sorge so verfahren, dass das wiedergewonnene Heil meiner Seele sicher unter deinem Schutz gewesen wäre, den du mir verliehen hättest? Wohl wäre es besser gewesen. Aber wie viele und wie mächtige Fluten der Versuchung auf mich eindringen würden, wusste meine Mutter schon, und lieber wollte sie den natürlichen Menschen vor der Wiedergeburt als das (durch die Taufe wiederhergestellte) Ebenbild Gottes preisgeben.

 

 

Zwölftes Kapitel

Selbst in meinen Knabenjahren, wo man für mich weniger als im Jünglingsalter fürchtete, liebte ich die Wissenschaften nicht, und ich hasste, zu ihrem Studium mit Gewalt gedrängt zu werden. Und doch wurde ich dazu gedrängt; wohl mir, dass es geschah, und doch handelte ich nicht gut. Denn ich würde nichts gelernt haben, wenn ich nicht dazu gezwungen worden wäre. Niemand aber handelt wider seinen Willen sittlich gut, auch dann nicht, wenn sein Tun gut ist. Und auch die, welche mich (zum Lernen) zwangen, handelten nicht gut; von dir allein kam mir das Gute, o mein Gott! Denn jene achteten nicht darauf, dass ich das durch ihren Zwang Gelernte nur zur Sättigung unersättlicher Begierde nach reicher Armut und schmachvollem Ruhme anwenden würde. Du aber, von dem die Haare unseres Hauptes gezählt sind, wandeltest den Irrtum derer, die mich zum Lernen zwangen, zu meinem Nutzen; meine Trägheit aber im Lernen ließest du mir werden zur Züchtigung, die ich wohl verdiente, ein noch so kleiner Knabe und doch ein schon so großer Sünder. So erwiesest du mir Gutes durch die, welche mir Übles taten, und vergaltest mir selbst in gerechter Weise meine eigene Sünde. Denn solches ist dein Gebot, und so geschieht es, dass jeder zuchtlose Geist sich selbst gereiche zur Strafe.

 

 

Dreizehntes Kapitel

Wie es aber eigentlich kam, dass mir die griechische Literatur verhasst war, ist mir selbst nicht ganz klar. Denn die lateinische Literatur gewann ich lieb, freilich nicht, wie sie die Elementarlehrer, sondern die sogenannten Grammatiker lehrten; denn jener Elementarunterricht war mir nicht weniger lästig und peinlich als alles Griechische. Woher jedoch stammte dies, wenn nicht aus der Sünde und der Eitelkeit des Lebens, wodurch ich Fleisch war und ein Wind, der dahinfährt und nicht wiederkommt? Denn jene Anfangsgründe, durch welche es mir möglich wurde und ist, durch welche ich es innehabe, sowohl Geschriebenes lesen als auch selbst alles nach Willen schreiben zu können, waren weit besser, weil sie zuverlässiger waren als jene, vermittels deren ich gezwungen wurde, die Irrfahrten eines Äneas meinem Gedächtnisse einzuprägen, während ich meine eigenen Irrfahrten vergaß, und den Tod der Dido zu beweinen, weil sie, von Liebesgram übermannt, sich selbst den Tod gab, während ich, Tiefunglücklicher, es tränenlosen Auges ertrug, dass ich vertieft in diese, von dir, Gott mein Leben, abstarb. Denn was ist wohl mitleidswürdiger als ein Leidender, der selbst kein Mitleid mit sich hat und doch den Tod einer Dido beweint, den sie aus Liebe zu Äneas findet, nicht aber seinen Tod, welchen er stirbt aus Lieblosigkeit gegen dich, o Gott, du Licht meines Herzens, du Lebensbrot und Kraft, die befruchtet mein Gemüt und den Spross meines Denkens. Ich liebte dich nicht, und meine Seele, dir vermählt, handelte ehebrecherisch, und „recht so, brav!" ertönte es dem Ungetreuen von allen Seiten zu. Denn die Freundschaft dieser Welt ist ja der Abfall von dir, und Beifall rufen sie, dass sich der Mensch schäme, wenn er anders geartet ist. Und nicht diesem galten meine Tränen, sondern der Dido, „dass geschieden sie sei, mit dem Stahl ihr Ende erreichend", verließ dich und folgte deinen geringsten Geschöpfen, Staub zum Staube zurückkehrend. Und wenn ich verhindert wurde, dieses zu lesen, so war mir's schmerzlich, das nicht lesen zu dürfen, was mir Schmerz erregte. Solche Torheit galt für edlere und fruchtbarere Wissenschaft als Lesen und Schreiben. Doch nun rufe mir in meine Seele, o Gott, und deine Wahrheit sage: So ist es nicht, jener erste Unterricht ist bei weitem besser, denn ich bin viel bereiter dazu, die Irrfahrten des Äneas zu vergessen und alles andere Derartige als Schreiben und Lesen. Vorhänge sind vor den Türen der Gelehrtenschulen; sie bedeuten aber nicht sowohl ein ehrfurchtgebietendes Geheimnis als vielmehr eine Fülle des Irrtums. Und nicht mögen gegen mich diejenigen ein Geschrei erheben, die ich nicht fürchte, wenn ich dir bekenne, was meine Seele will, o mein Gott, und Ruhe finde ich im Verwerfen der bösen Wege, dass ich seine guten Wege lieben lerne. Auftreten mögen auch nicht wider mich die Verkäufer oder Käufer der weltlichen Literatur; denn wende ich mich mit der Frage an sie, ob Äneas wirklich einst nach Karthago gekommen sei, wie der Dichter sagt, dann werden die Ungelehrteren sich mit ihrer Unwissenheit entschuldigen, die Gelehrteren aber werden es sogar verneinen. Wenn ich aber frage, mit welchen Buchstaben Äneas geschrieben wird, dann werden wir alle, welche dies gelernt haben, die richtige Antwort geben nach dem Übereinkommen und Gutbefinden, durch welche die Menschen jene Zeichen unter sich festgesetzt haben. Ebenso, gesetzt ich fragte, was von beiden wohl zum größeren Nachteil für das Leben vergessen würde, Lesen und Schreiben oder jene poetischen Erfindungen, weiß wohl jeder die Antwort, der sich nicht gänzlich vergessen hat. Ich fehlte also, da ich als Knabe jene unnützen Dinge diesen nützlichen eifrig vorzog oder vielmehr diese hasste, jene aber liebte. Nun aber war mir das eins und eins ist zwei, zwei und zwei ist vier ein Lied von gar verhasstem Klang und das angenehmste Schauspiel für meine Eitelkeit das hölzerne Pferd von Bewaffneten, der Brand Trojas und der Schatten Creusas.

 

 

Vierzehntes Kapitel

Warum hasste ich denn aber die griechische Literatur, die doch solches besang? Denn auch Homer verstand es, das Gewebe solcher Märlein, und ist in seiner Eitelkeit so süß und doch mir Knaben so bitter. Ich glaube, auch den griechischen Knaben wäre es mit Vergilius also ergangen, wenn man sie zwänge, ihn auf solche Art verstehen zu lernen wie mich jenen. Natürlich vergällte die Schwierigkeit, eine gänzlich fremde Sprache zu erlernen, mir alle Schönheiten der griechischen Mythen. Ich verstand die Worte nicht und wurde dennoch mit harten Drohungen und Strafen gewaltsam dazu angetrieben, sie zu erlernen. Freilich kannte ich als Kind einst die lateinische Sprache noch nicht und doch lernte ich sie mit Aufmerksamkeit ohne jegliche Furcht und Qual unter den Liebkosungen meiner Ammen, unter den Scherzen derer, die mir zulachten, und unter fröhlichen Spielen. So lernte ich jene ohne die peinliche Belästigung von Drängen, wenn mich mein Herz dazu antrieb, Empfangenes wiederzugeben, was ich nicht imstande gewesen wäre, wenn ich nicht schon die Kenntnis einiger Worte gehabt hätte, nicht von Lehrern, sondern von Sprechenden, für deren Ohr ich meine Gedanken kundgab. Hieraus geht deutlich hervor, dass die freie Wissbegierde eine größere Macht besitzt zum Erlernen als furchteinflößender Zwang. Aber dieser hemmt nach deinem Gesetz den Strom jener Wissbegierde, o Gott, nach deinem Gesetz von der Rute der Lehrer bis zu den Versuchungen der Märtyrer; heilsame Bitterkeit mischt sich nach deinem gewaltigen Willen bei, welche uns wieder zurückruft zu dir von der verderblichen Lust, durch welche wir uns von dir entfernt haben.

 

 

Fünfzehntes Kapitel

Erhöre, o Gott, mein Gebet, dass meine Seele nicht müde werde unter deiner Zucht und dass ich nicht lasch werde im Bekenntnis deines unendlichen Erbarmers, durch welches du mich von allen Irrwegen abgebracht hast, dass du mir süßer wirst als alle Verführungen, denen ich folgte, dass ich dich hebe mit allen Kräften und deine Hand erfasse mit ganzem Herzen und du mich entreißest aller Versuchung bis ans Ende. Denn dir, o Herr, mein König und mein Gott, deinem Dienste sei gewidmet, was ich als Knabe Nützliches erlernte, was ich spreche, schreibe, lese und zähle; wenn ich Eitles erlernte, züchtigtest und vergabst du mir meine sündhafte Lust an solcherlei Eitelkeiten. Und ich lernte durch sie wohl viel nützliche Worte, die aber auch ohne eitle Dinge erlernt werden können, und das ist der sichere Weg, auf dem die Knaben wandeln sollten.

 

 

Sechzehntes Kapitel

Aber wehe dir, Strom menschlicher Gewohnheit! Wer kann dir widerstehen? Wann wirst du endlich versiegen? Wie lange wirst du noch die Söhne Evas hinaustreiben in das große, furchtbare Meer, welches kaum die durchsegeln, welche das Kreuzesschiff der Kirche besteigen? Las ich nicht zur Zeit (da ich noch von dir fortgerissen wurde) von einem Donnerer und Ehebrecher Jupiter? Zwar vermochte er keines von beidem, sondern es wurde erdichtet, dass man sich auf seine Autorität berufen könne, um einen wahren Ehebruch nachzuahmen, wobei der falsche Donnerer den Kuppler machte. Wer aber von den Lehrern, die da in ihren Mänteln umherstolzieren, kann es ruhig mit anhören, wenn ein Mensch, der Staub ist, ausruft: „Dies fabelte Homer und übertrug Menschliches auf die Götter; wollte er doch lieber Göttliches auf uns übertragen!" Mit mehr Recht sagt man aber wohl, er ersann dieses zwar, aber so, dass er den lasterhaften Menschen Göttliches beilegte, damit ihre Laster nicht für Laster geachtet würden und damit jeder, der solche verübte, nicht Missetäter, sondern die Götter im Himmel nachzuahmen schiene. Und doch werden die Menschenkinder in dich, du Höllenfluss, hineingeworfen mit dem Lohne, wofür sie dies lernen sollen, und Großes - so glaubt man - steht auf dem Spiele, wenn dafür öffentlich auf dem Forum dargestellt wird, angesichts der Gesetze, die dem Dichter obendrein noch festen Gehalt bestimmen außer den Honoraren, wenn du die Steine zu erschüttern suchst, prahlst und mit rauschendem Wortschwall sprichst: Hier ist die Quelle, da man reden lernt; hier erwirbt man die Beredsamkeit, um Leute zu beschwatzen, hier lernt man die Kunst, die unumgänglich nötig ist, Meinungen auseinanderzusetzen. Wir würden so nichts von den Worten: goldener Regen, Schoß, Trug, Tempel des Himmels und was da noch für andere derartige Ausdrücke sind, die dort vorkommen, verstehen, wenn nicht Terenz einen jungen Taugenichts einführte, der sich den Jupiter zum Vorbild der Unzucht nimmt, indem er ein Wandgemälde beschaut, welches Jupiter darstellt, „wie er der Danae einst einen Goldregen in den Schoß habe fallen lassen und so das Weib überlistete". Und nun siehe hin, wie er sich selbst gleichsam unter der Anleitung des Gottes zur Wollust reizt: „Welch ein Gott, der mit seinem Donner des Himmels Zinnen erschüttert. Und ich schwaches Menschlein sollte es nicht tun? Ich hab's getan, und zwar mit Freuden." Keineswegs lernte man durch solche Schändlichkeit derartige Worte mit größerer Leichtigkeit, nur wurde man dadurch umso vertrauter mit der Schändlichkeit. Nicht die Worte klage ich an, die nur erwählten köstlichen Gefäßen gleichen, sondern den Wein (in solchen Gefäßen), der uns auf Irrwege führte und uns von trunkenen Lehrern aus ihnen gereicht wurde; tranken wir nicht, dann drohte uns Züchtigung, und an einen nüchternen Richter uns zu wenden, blieb uns versagt. Und doch, o Gott, vor dessen Angesicht ich mich sicher dessen erinnere, habe ich solches gern gelernt und habe, o ich Elender! daran Freude gefunden und wurde demzufolge ein Knabe genannt, der zu schönen Hoffnungen berechtige.

 

 

Siebzehntes Kapitel

Lass mich, o Gott, auch darüber sprechen, mit wie törichtem Treiben sich mein Geist, deine Gabe, abarbeitete. Mir wurde eine Aufgabe gestellt, die mein Gemüt nicht wenig durch die Verheißung von Lob oder Schmach und durch die Furcht vor Schlägen in Unruhe versetzte. Sie bestand nämlich darin, dass ich die Worte der Juno, die in zornigem Schmerze trauert, dass sie den König der Teukrer nicht von Italien fernzuhalten vermag, vortragen sollte, Worte, die ich doch natürlich die Juno nie hatte sprechen hören; wir wurden genötigt, irrenden Fußes den Spuren des fabelnden Dichters zu folgen und in ungebundener Rede vorzutragen, was der Dichter in Versen ausgesprochen; dessen Vortrag errang das höchste Lob, der die Affekte des Zornes und des Schmerzes der Stellung der von ihm dargestellten Person möglichst entsprechend wiedergab in Sätzen, die den Gedanken auch in ihrer äußeren Form möglichst angepasst waren. Warum aber erntete ich, o Gott, der du wahrlich mein Leben bist, bei meinem Vortrage von vielen Altersgenossen und Mitschülern Beifall? War das nicht eitel Rauch und Wind? Dein Lob, o Herr, dein Lob in den heiligen Schriften hätte den schwachen Keim in meinem Herzen erstarken lassen sollen, und nicht wäre er geworden ein Raub eitler Nichtswürdigkeiten, nicht eine schmähliche Beute der gefiederten Kreatur. Aber freilich, auf gar mannigfache Weise opfern wir den abtrünnigen Engeln.

 

 

Achtzehntes Kapitel

Wie aber ist es zu verwundern, dass mich die Eitelkeit so in ihre Gewalt bekam und mich von dir, mein Gott, so entfernte, da mir Menschen zu Vorbildern gesetzt wurden, die vor Scham vergehen wollten, wenn in der Erzählung ihrer an und für sich keineswegs bösen Handlungen ungebräuchliche oder fehlerhafte Ausdrücke vorkamen, die sich aber rühmten und mit Lob überschüttet wurden, wenn sie ihre Bubenstreiche fehlerfrei mit wohlgesetzten Worten ausführlich und mit Ausschmückungen erzählten? Du siehst dies, Herr, und du schweigst in deiner Langmut, der du barmherzig, der Du auch wahrhaftig bist. Doch wirst du immer schweigen, o Herr? Und jetzt ziehst du empor zu dir aus dem grausigen Abgrunde den Geist, der dich sucht und den nach deiner Erquickung dürstet und sein Herz hält dir vor: Ich habe gesucht einst dein Antlitz, und nun suche ich dein Antlitz wieder, o Herr. Denn fern von deinem Angesichte zu leben, das heißt in finsterer Leidenschaft dahinwandeln, denn nicht mit dem Fuße oder räumlich entfernen wir uns von dir oder kehren zu dir zurück. Oder suchte jener dein jüngerer Sohn Pferde, Wagen oder Segel, oder floh er mit sichtbarem Fittich, oder legte er eilenden Fußes den Weg zurück, dass er im fernen Lande als Verschwender lebe und das Gute verprasse, das du dem Dahinziehenden mitgegeben hattest? Ein liebevoller Vater warst du ihm, der du gabst, ein liebevollerer noch, da er mühselig und beladen heimkehrte. So ist ein Leben in üppiger Lust ein Wandel in Finsternis und Fernsein von dir. Siehe, o Herr, und siehe es nach deiner Gewohnheit mit Langmut an, wie sorgfältig die Menschenkinder die Gesetze der Buchstaben und Silben, die ihnen von den früheren Redenden überliefert sind, beobachten und dagegen die von dir empfangenen dauernden Gesetze des ewigen Heils vernachlässigen, so dass der, welcher jene alten Lautgesetze weiß und lehrt, größeres Missfallen bei den Menschen erregt, wenn er gegen die grammatische Regel ohne Aspiration der ersten Silbe omo anstatt homo sagen würde, als wenn er deinen Geboten zuwider selbst ein Mensch, seinesgleichen hasste. Gerade als ob er von irgendeinem Feinde Verderblicheres erfahren könnte als von seinem Hasse selbst, der ihn gegen denselben aufreizt, oder als wenn einer, indem er einen anderen verfolgt, diesem einen schwereren Schaden zuzufügen imstande wäre, als er seinem Herzen durch solche Feindschaft zufügt! Gewiss ist das sprachliche Wissen nicht innerlicher als der ins Herz geschriebene Gewissensvorwurf: Man tue dem andern, was man selbst nicht leiden möge. Wie bist du so geheimnisvoll, der du schweigend wohnst in der Höhe, o Gott, du allein Erhabener, der du nach einem unermüdlich wirkenden Gesetze zur Strafe Blindheit ausgießest über unerlaubte Begierden. Wenn ein Mensch den Ruhm der Beredsamkeit sucht und dasteht vor einem menschlichen Richter, umgeben von einer Menschenmenge, seinen Feind mit wildem Hass verfolgend, dann hütet er sich mit der größten Sorgfalt vor Sprachfehlern wie: "Inter hominibus"; aber ohne Scheu vertilgt er in seiner Raserei den Menschen aus dem Kreise der Menschen.

 

 

Neunzehntes Kapitel

An der Schwelle der Schule, wo solche Sitten heimisch waren, lag ich als elender Knabe; eines solchen Kampfplatzes Ringkunst war es, wo ich mich mehr davor fürchtete, einen Sprachfehler zu machen, als ich mich hütete, wenn ich es dennoch tat, diejenigen, welche es nicht taten, zu beneiden. Ich sage es und bekenne es dir, mein Gott, worin ich von denen gelobt wurde, welchen zu gefallen uns damals gerade so viel galt als ein gottgefälliges Leben. Denn ich sah nicht den Abgrund der Schande, in welchen ich von deinen Augen verstoßen wurde, denn wer konnte in deinen Augen schändlicher sein als ich, da ich auch sogar solchen missfiel durch unzählige Betrügereien und Lügen, meinen Erziehern und Eltern gegenüber durch Spielsucht, durch die Begierde Possen zu sehen und in spielsüchtiger Unruhe nachzuahmen? Auch den Keller und den Tisch meiner Eltern bestahl ich, teils aus Naschsucht, teils um den Knaben ihre Rollen im Spiel, an dem sie sich gleicherweise wie ich ergötzten, mir sie aber gleichwohl verkauften, abzumarkten. Auch in diesem Spiel erschlich ich mir, von eitler Begier zu glänzen verblendet, oft durch Betrug den Sieg. Was aber wollte ich selbst so wenig dulden und tadelte ich so roh, wenn ich andere dabei ertappte, als eben das, was ich anderen tat, und wenn ich selbst darüber ertappt wurde, lieber tobte als mich gefügt hätte? Ist das die kindliche Unschuld? Nein, o Herr, sie ist es gewiss nicht. Das ist, was aus dem Knabenalter auf das höhere folgende Alter übergeht, nur dass es sich anstatt der Erzieher und Lehrer, der Nüsse und Kugeln und Sperlinge jetzt um Präfekten und Könige, Gold, Landgüter und Sklaven handelt, wie auch anstatt der Ruten schwerere Strafen eintreten. In der Kleinheit der Kinder hast du, unser König, uns ein Symbol der Demut gegeben, wenn du sprachst: Solcher ist das Himmelreich!

 

 

Zwanzigstes Kapitel

Doch Dank sei dir, o Herr unser Gott, dargebracht, dem erhabensten und besten Schöpfer und Regierer des Weltalls, wenn du auch nur gewollt hättest, dass ich solch ein Knabe geworden wäre. Denn schon damals lebte ich und empfand und mir lag mein unversehrtes Dasein am Herzen, eine Spur der geheimnisvollen Einheit mit dir, der ich mein Dasein verdankte. Mit meinem inneren Sinne behütete ich die Unverletztheit meiner äußeren Sinne und freute mich an der Wahrheit selbst bei kleinen Gedanken über kleine Dinge. Ich wollte mich nicht täuschen lassen, mein Gedächtnis war frisch, mit Beredsamkeit war ich ausgestattet, Freundschaft war mir angenehm, ich floh den Schmerz, die Haltlosigkeit, die Unwissenheit. Was ist all einem solchen Wesen nicht bewundernswert und des Lobes würdig! Aber alles dies hat mir Gott geschenkt, nicht ich selbst habe es mir verliehen, und es ist gut, und alles dies bin ich. Gut ist also mein Schöpfer, und er selbst ist mein Gut und ihn preise ich mit Frohlocken für all das Gute, wodurch ich auch als Knabe wirklich war. Denn das war meine Sünde, dass ich nicht in ihm, sondern in seiner Kreatur in mir und den anderen Vergnügen Herrlichkeit und Wahrheit suchte, und so stürzte ich mich in Schmerz, Verwirrung und Irrtum. Dank dir, du meine Wonne, meine Ehre, mein Vertrauen, o mein Gott! Dank dir für deine Gaben! Bewahre sie mir aber auch! Denn so wirst du mich bewahren und sie werden zunehmen, und was du mir gabst, wird vollendet werden, ich selbst werde mit dir sein, denn auch das Dasein hast du mir gegeben.